Digitalisierung im Handel

Hauptsache smart

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2018

Der stationäre Handel muss sich auch im Digitalzeitalter nicht verstecken. Die Konkurrenz zum E-Commerce wird immer seltener als der richtige Schritt angesehen. Heute gilt: Besser als zu konkurrieren ist es zu kooperieren. Denn beide Absatzwege haben ihre Stärken und Schwächen. Der Kunde weiß die neuen – über alle Vertriebs- und Kommunikationskanäle verzahnten – Angebote sehr zu schätzen.

Auf einer Überdachung steht

Pinke Chucks, ein Rock in zwölf verschiedenen Farben, Kosmetik der superangesagten Independend-Marke aus Russland – im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt. Im Vergleich zum World Wide Web mutet das Warenangebot eines Kaufhauses fast schon spartanisch an. So ist denn auch der Umsatz im Online- und Versandhandel in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. 62,15 Milliarden Euro Umsatz waren es 2017 – ein Plus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und auch für die Zukunft prognostizieren Experten ein jährliches Wachstum von etwa zehn Prozent. Zu den Erfolgsfaktoren, die dahinter stehen, gehört zum einen das Web 2.0, das jedem Händler erlaubt, mit einfachen Mitteln einen Online-Shop aufzubauen, der rund um den Globus verfügbar ist. Zudem sind ausgefeilte Logistikprozesse ein wesentliches Kriterium, das über die Qualität der Online-Angebote entscheidet. Was heute in E-Shops aus Südostasien geordert wird, kann schon in einer Woche zugestellt sein. E-Commerce-Spezialisten in Deutschland liefern zum Teil schon am gleichen Tag. 

Das Internet ist nicht länger der Feind des stationären Handels.

Als Handicap des stationären Handels nimmt der Kunde mehr und mehr das engere Sortiment wahr. Egal, wie groß das Kaufhaus ist, es wird immer ein Produkt geben, das der Händler nicht vor Ort parat hat. An die schier unermessliche Angebotsvielfalt der Online-Shops gewöhnt sich der Konsument gleichzeitig immer mehr. Er weiß, dass er sich nahezu jeden Wunsch online erfüllen kann. Die Folge: Die Bereitschaft, auf ein alternatives, im Geschäft verfügbares Produkt umzuschwenken, sinkt. 

Punkten mit dem Shopping-Erlebnis

Umso wichtiger ist für den stationären Handel, andere Stärken auszuspielen. Denn es ist nicht nur der lange Postweg mit all seinen Ärgernissen – wie zum Beispiel vermissten Paketsendungen – der Internetkäufer stört. Es ist vor allem das fehlende Shopping-Erlebnis, das Online-Anbieter nicht bieten können. Statt nur durch das Internet zu surfen und Waren in den virtuellen Einkaufswagen zu legen, die vielleicht nur den virtuellen Models gut stehen, können die Konsumenten im stationären Handel alle Produkte anfassen, fühlen und – vor allem – anprobieren. Diese Stärke gilt es in Zukunft besser in Szene zu setzen.

Gleichzeitig müssen sich stationäre Händler aber auch stärker als bisher auf die virtuelle Welt einlassen und sie mit den herkömmlichen Vertriebswegen verzahnen. Der Konsument wird in Zukunft immer weniger zwischen online und offline unterscheiden. Für ihn geht es nur noch darum, wie er möglichst schnell, einfach und angenehm eine erfolgreiche Einkaufstour abschließen kann. 

Digitalisierung im Handel: Schlüsselrolle für das Smartphone

So ist das Internet nicht länger der Feind des stationären Handels, sondern bietet vielmehr großartige Chancen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die fünfte Zeitreihe der „Großen Handelsstudie“ von Bonial Deutschland, HDE und der Hochschule Niederrhein aus dem Jahr 2017. Vor allem dem Smartphone kommt demnach eine Schlüsselrolle zu – sowohl bei der Shopping-Vorbereitung als auch bei der Frequenzgenerierung. Rund 45 Prozent der Verbraucher möchten über Läden in der Innenstadt online informiert werden. 

Zu erwarten ist, dass stationäre Händler immer häufiger die im Laden nicht verfügbaren Waren zum Kunden nach Hause liefern lassen. Andersherum entdecken aber auch Online-Händler, dass manch ein Kunde gern online bestellt und die Ware dann in einem Ladengeschäft abholt. Der Studie zufolge holen 29 Prozent der Befragten gern Produkte im stationären Handel ab, wenn sie dadurch die Versandkosten sparen können.

Quelle: HDE Online-Monitor, 2017

Guide Shops als Einkaufstrend

Kein Wunder also, wenn im Einzelhandel immer stärker Angebote entwickelt werden, in denen der Markt vor Ort mit der digitalen Warenwelt 

verschwimmt. Eine Möglichkeit, ein sinnliches und angenehmes Shopping-Erlebnis zu kreieren und gleichzeitig ein umfassendes Sortiment auf kleinem Raum zu präsentieren, bieten zum Beispiel die sogenannten Guide Shops. In diesen Flagshipstores führen die Händler das komplette Sortiment auf relativ kleinem Raum zusammen. Das Geheimnis: Der Guide Shop ist lediglich ein Showroom. So sind zwar alle Artikel des Sortiments auf Lager, jedoch nur jeweils ein Stück je Konfektionsgröße und Farbe. Die Konsumenten lassen sich im Guide Shop von einem Stylisten beraten und probieren jedes Kleidungsstück an – mit nach Hause nehmen können sie jedoch keines. Ist der Kauf an der Kasse abgeschlossen, wird die Ware per Post an die Wunschadresse geliefert.

Zudem macht Digitalisierung im Handel keineswegs beim elektronischen Shop halt. Auch das stationäre Ladengeschäft lässt sich digitalisieren. Wie das funktionieren kann, ist heute besonders gut in China zu sehen. Dort hat der französische Konzern Auchan Retail bereits Hunderte von Miniatur-Supermärkten in Schiffscontainern untergebracht. Auf 18 Quadratmetern findet sich ein kompletter digitaler Mini-Markt mit 500 Produkten des täglichen Bedarfs. Personal gibt es darin keines. Mit einer App öffnen Auchan-Kunden die Tür, an der Kasse scannen sie ihre Produkte selbst, bezahlt wird der Einkauf mit dem Smartphone. Der Clou des Schiffscontainer-Supermarktes: Der Shop ist portabel, kann also überall platziert und umgesetzt werden – auf Parkplätzen, an Straßenecken oder in Vorgärten. So können Verbraucher direkt vor der Haustür Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Nach Ansicht von Experten könnten unbemannte High-Tech-Supermärkte in China vor dem Durchbruch stehen. Dass die Branche in diesem Konzept aber auch in anderen Ländern Poten­zial sieht, zeigt die Reaktion von Amazon. Der Online-Shop-Gigant hat Ende Januar in Seattle einen Mini-Supermarkt nach ähnlichem Konzept gestartet.

Nähe zum Kunden

Ohnehin wird es zum Trend, Handelsflächen und Konsumenten näher zusammenzubringen. Das Shopping Center auf der grünen Wiese ist nicht mehr das Maß der Dinge. Gerade bei den Bedarfsartikeln setzen die Filialisten aus dem Lebensmittel- oder Drogeriebereich wieder verstärkt darauf, in die Wohngebiete zu kommen. Andersherum macht es Aldi, indem es die Wohngebiete zu den Märkten bringt. In den kommenden Jahren sollen in den deutschen Metropolen mehrgeschossige Wohngebäude auf neu zu bauende Märkte gesetzt werden. Bis zu 200 Wohnungen könnten sich somit direkt über einem Aldi-Markt befinden. 

Zudem zeichnet sich ab, dass der Einkauf von vielen Menschen eher nebenbei erledigt wird. Bestellt wird situativ. Konsumenten, denen auffällt, dass der Pfeffer, die Milch, das Waschmittel oder das Haarshampoo zur Neige gehen, teilen ihren Bedarf einem intelligenten elektronischen Assistenten wie Alexa mit. Der Rest geschieht automatisch.

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